Soziale Ungerechtigkeiten und eine fehlgesteuerte
Gesundheitspolitik sind weltweit für den Tod zahlreicher Menschen
verantwortlich. Zu diesem Schluss kommt ein WHO-Bericht, der in Genf
vorgestellt wurde.
Es bestehe eine "giftige Kombination"
aus schlechtem Sozialversicherungsschutz, einem ungerechten wirtschaftlichen
Gefüge und schlechten gesundheitspolitischen Massnahmen. Diese Ungerechtigkeiten
"töten in grossem Massstab", heisst es in dem Bericht der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiter.
Es sei ein "Gebot der Ethik", die Ungleichheiten in
Gesundheitssystemen zu bekämpfen, sagte Michael Marmot, der Vorsitzende der für
den Bericht verantwortlichen WHO-Kommission.
Am stärksten betroffen sind erwartungsgemäss die Entwicklungsländer: In Niger
erlebt jedes vierte Kind nicht einmal seinen fünften Geburtstag. In den reichen
Industrieländern dagegen stirbt nur jedes 150. Kind in den ersten fünf
Lebensjahren.
Eine Frau in Schweden hat ein Risiko von 1 zu 17 400, bei Schwangerschaft oder
Geburt zu sterben, für eine Frau in Afghanistan liegt das Risiko dagegen 1 zu
8. Und die Lebenserwartung eines Mädchens in Lesotho liegt 42 Jahre unter der eines
Mädchens in Japan.
Doch solche dramatischen Unterschiede betreffen nicht nur die
Entwicklungsländer: So habe etwa ein Kind aus einem Vorort der schottischen
Stadt Glasgow im Schnitt 28 Jahre weniger zu leben als ein Altersgenosse, der
nur 13 Kilometer entfernt das Licht der Welt erblickt hat.
"Es gibt dafür keine biologische Erklärung", sagte Marmot. Allein
soziale Gründe erklärten die unterschiedlich hohe Lebenserwartung selbst
innerhalb einer Region: "Sie entstehen aus dem Umfeld, in das Menschen geboren
werden, in dem sie aufwachsen, leben, arbeiten und älter werden", heisst
es in dem Bericht.
Situation "inakzeptabel"
Die Kommission der WHO plädiert
für die Finanzierung des Gesundheitssystems aus Steuereinnahmen sowie einen
obligatorischen Versicherungsschutz. Es sei "inakzeptabel", dass
weltweit 100 Millionen Menschen wegen "katastrophaler"
Gesundheitskosten in die Armut gestürzt würden.
Dabei sei der Reichtum eines Landes allein nicht aussagekräftig für die
Gesundheitssituation der Bürger. Relativ arme Länder wie Kuba, Costa Rica, Sri
Lanka oder China erreichten zufriedenstellende Ergebnisse bei der
Gesundheitsvorsorge, heisst es in dem Bericht.
Andererseits spreche die Tatsache, dass 49 Millionen US-Bürger keinen
Versicherungsschutz hätten, nicht für ein leistungsfähiges und gerechtes
Gesundheitssystem in den Vereinigten Staaten, sagte Marmot.
Lob für nordische Länder
Mit leuchtendem Beispiel voran gehen nach Meinung der
Kommission die nordischen Länder. Sie verfolgten eine Politik, die Gleichberechtigung,
Vollbeschäftigung, gleichen Zugang zu Sozialleistungen und -diensten sowie eine
Minimierung sozialer Ausgrenzung fördere.
"Dies ist ein herausragendes Beispiel dessen, was überall auf der Welt
geschehen muss", betonten die Experten. Die Ãœberwindung der
Gerechtigkeitslücke sei mit entschlossenen globalen Anstrengungen möglich - der
Zeitraum einer Generation sei dabei allerdings mehr eine Hoffnung als eine
Prognose.
"Beispiellose Führung ist nötig", mahnte WHO-Generaldirektorin
Margaret Chan vor allem die Industrieländer: "Gesundheitssysteme werden
nicht von selbst gerechter."
(Quelle: sda)
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